Die klirrende KĂ€lte

Mit dem neuen Jahr kam ĂŒber Nacht der Nebel, der sich ĂŒber die Stadt niederlegte. Und mit dem Nebel auch die eisige KĂ€lte.

Und da fiel mir ein, dass ich vor 5 Jahren ein kleines eisiges Geschichtchen schrieb. Immer wenn mich die KĂ€lte heimsucht, dann denke ich daran, wie schrecklich so eine KĂ€lte sein.

Unheimlich eisig kalt.

Geschrieben am 26.10.10

Die klirrende KĂ€lte

Im Kamin brennt das Feuer. Die Flammen tanzen hin und her. Das Holz knackt laut und Funken sprĂŒhen.
Ich sitze in meinem Schaukelstuhl davor. Im dicken Wollpullover und dicken PlĂŒschstrĂŒmpfen. In den HĂ€nden halte
ich eine dampfende Tasse Tee. Ich sehe den Dampf aufsteigen und verschwinden. Ich beobachte die
Flammen, wie die zucken und flackern.
Dann sehe ich zu dem kleinen Rechteck. Links von mir. In braunen alten verwitterten Holz umrahmt, die
Fensterscheiben.
Ich kann nicht da draußen sehen, weil der eisige Wind Eisblumen ans Fenster gemalt hat. Und es ist dunkel
draußen. Es ist spĂ€t abends.
Der kalte Wintersturm rĂŒttelt draußen an den FensterlĂ€den und will mir die TĂŒr am liebsten aus den Angeln
reißen. Ich höre draußen die BĂ€ume, wie sie Ă€chzen und knacken. Wie sie im kalten Wind sich biegen.
Hier drinnen ist es ruhig und still. Nur der Feuerschein wabert ĂŒber HolzwĂ€nde der HĂŒtte. Ich höre nur die
Flammen knistern. Die WĂ€rme strahlt ĂŒber meinem Gesicht. Es tut so gut. Ich spĂŒre den heißen Tee meine
Kehle runter laufen, wie der meinen Magen wÀrmt.
Neben all diesen GerĂ€uschen und das FĂŒhlen der WĂ€rme, spĂŒre ich, wie der eisige Sturm in den Ritzen das
Hauses dringen will.
Es will zu mir, es will seine kalten Klauen um mich legen, mich frieren und zittern lassen.
Dann höre ich etwas. Es klingt wie feines Glas, das zerspringt, oder Glasmurmeln, die langsam und einzeln zu
Boden fallen.
Es ist leise und klingt fern.
Manchmal hört es kurz auf. Dann , da ist es wieder.
Ich höre es ganz deutlich. Ob das hier am Haus ist?
Die Eiszapfen, die der Wind vom Dachsims fegt?
Langsam wird es mir doch ein wenig unheimlich. Langsam stehe ich nur zu ungern von meinem warmen
Schaukelstuhl auf. Stelle die halbvolle Tasse mit dem roten Tee auf das kleine Tischchen, dass rechts von mir
steht. Es ist klein und rund. Dort steht auch eine Dose mit Keksen und ein SchÀlchen mit klein geschnittenen
Äpfeln.
Mein Buch plumps auf dem Boden. Es kracht sehr laut und ich erschrecke mich. Stimmt, ich hatte ja mein
Buch auf den Schoß gelegt und wollte lesen.
Da höre ich wieder das Klirren. Es klingt schon etwas lauter. Kommt da etwas vom Weitem her? Pferde mit
einer Glocke um den Hals, die schwitzend und stampfend sich durch den kalten Sturm kÀmpfen?
Aber wer sollte zu mir? Ich bin hier am Ende der Welt, einsam und verlassen. In der großen Weite, wo nur
mein kleines HolzhĂ€uschen steht. Mein kleine schicke gemĂŒtlich BlockhĂŒtte.
Hier gibt es nur mich.
Ich lasse das Buch liegen, und ziehe die Wolldecke um mich, die ĂŒber die Stuhllehne gelegen hatte.
Ich schlurfe zum Fenster und versuche etwas zu erkennen, aber die Eisblumen verklÀren meinen Blick und
sehe nur schemenhaft die Umrisse der BĂ€ume, die hin und her schwenken.
Ich höre es nun ganz deutlich. Ein lautes Klirren.
Nun wird meine Neugier stÀrker, aber gleichzeitig ist es mir ein wenig mulmig in der Magengrube. Denn, ich
weiß nicht was es ist.
Ich sehe mich in der Stube um. Es ist wie bisher, dass Feuer brennt heiß im Kamin. Es hat alles in einem
warmen rötlichen Ton getaucht, die WÀnde, meine SchrÀnke, den Schaukelstuhl davor, hinten in der Ecke
steht mein Bett, im Schatten getaucht, alles wirkt so warm und heimelnd.
Ich gehe langsam zur TĂŒr und schlĂŒpfe mit meinen bestrumpften FĂŒĂŸen in meine dicken Schafsfellstiefel. Sie
sind ganz warm.
Ich höre wie der Sturm, der eisige kalte Sturm da draußen, heftig an meiner TĂŒr rĂŒttelt, als könne er es
nicht abwarten, dass ich nun raus komme. Ich mag nicht raus. Dort ist es so kalt und eisig.
Meine Nase wird als erstes sofort kalt und rot. Dann die HÀnde. Und der Wind wird um meinen Körper
fliegen und mich zum Frieren bringen.
Wieder höre ich das Klirren. Es ist inzwischen sehr laut geworden.
Ein wenig bekomme ich Angst. Es ist unheimlich. Ich habe das noch nie gehört.
Ich möchte mich am liebsten in meinem Schaukelstuhl setzen und weiter lesen und trÀumen und nachdenken.
Ja, und dabei in die Flammen sehen, wie ihr Tanz mich einlullt.
Ich sollte das wirklich tun. Ich kann morgen frĂŒh, wenn es hell ist, immer noch nachsehen.
Doch ich höre immer wieder dieses unheimliche laute Klirren, wie Glas, das zerspringt in tausend StĂŒcke.
Ich muss nachsehen, danach kann ich in aller Ruhe lesen. Dann wird alles gut sein.
Ich stehe in der Wolldecke eingemummelt und in meinen dicken warmen Schafsschuhen immer noch an der
TĂŒr. Die Hand habe ich inzwischen auf die TĂŒrklinke gelegt.
Die Handschuhe! Die muss ich auch anziehen. Die HÀnde werden nÀmlich sehr schnell kalt und dann kann ich
sie kaum bewegen und sind steifgefroren.
Ich nehme meine Handschuhe von der Kommode, die direkt neben der TĂŒr steht. Die sind warm gefĂŒttert wie
meine Stiefel, mit weichem Schafsfell.
Ich warte und lausche. Der Eissturm tobt nun noch mehr, der brĂŒllt schon richtig laut. Ist der denn so wĂŒtend?
Ja, der klingt richtig wĂŒtend.
Er will die BĂ€ume ausreißen, aber diese haben starke Wurzeln.
Durch das BrĂŒllen hindurch höre ich ganz deutlich das Klirren wieder. Es ist inzwischen noch lauter
geworden. Es klingt schon sehr nahe.
Nun muss ich doch nachsehen. –
Ich drĂŒcke die TĂŒrklinke herunter, der Sturm, der Eisige, der reißt es mir aus der Hand. Die TĂŒr fliegt mit
einem Krachen gegen die Hauswand. Das Fliegengitter hatte er lÀngst mit sich fortgerissen. Vielleicht finde
ich das morgen irgendwo weit draußen auf der Ebene.
Ich spĂŒre wie der kalte Wind mir den Atem nimmt. Er will mir die Wolldecke fortreißen. WĂŒtend zerrt er an
meinen Haaren. Die flattern wie wild um meinem Kopf. Ich sehe bestimmt aus wie die Medusa.
Und es ist kalt. Eisig kalt. Ich kann fĂŒhlen wie kalte Schlangen und frostige HĂ€nde an mir hoch kriechen. Sie hĂŒllen
meinen Körper ein.
Ich gehe hinaus in den tosenden lauten Sturm und stemme mich dagegen, laufe ein StĂŒck um meine
HolzhĂŒtte. Mein Windspiel ist auch fort geweht.
Ich ĂŒberlege, ob es das Windspiel war? Aber das klirrt ja nicht, das klingelt. Nein das war es nicht.
Inzwischen hat der Eissturm mich umgarnt, er reißt mir meine Wolldecke aus der Hand. Ich friere
fĂŒrchterlich. Meine ZĂ€hne klappern.
Und trotzdem, ich gehe dem GerÀusch nach, diesem unheimlichen Klirren.
Hat das nicht etwas bedrohliches? Vielleicht will der Sturm mir nur helfen, der will das ich ins Haus zurĂŒck
gehe. Und die KÀlte hÀlt mich wie ein Klammergriff umfangen.
Mein Gang wird immer beschwerlicher. Ich spĂŒre, wie der tobende und Ă€chzende Sturm an mir zerrt, und die
KĂ€lte, immer eisiger mich umgreift, wie ein Schraubstock.
WĂ€re ich doch nicht raus gegangen. Ich bereue es nun zutiefst.
Der heftige Wind zieht und rĂŒttelt an mir, als wolle er mich in Richtung TĂŒr zerren, nur die durchdringende
KÀlte lÀhmt mich.
Sie macht mich bewegungsunfÀhig.
Ich höre wie es klirrt. Es ist inzwischen sehr laut. Sehr nah. Neben mir. Nein, ĂŒber mir?
Ich kann es nicht sehen.
Nun höre ich es ganz deutlich, wie tausend GlĂ€ser zerspringen ĂŒber mir in tausende Einzelteile, wie zu feinem
Staub.
Eis? Eisregen? Sie stechen und piksen.
Und sie klirren sehr laut.
Ich stehe wie erstarrt. Ich kann mich nicht mehr bewegen. Jedes Körperteil ist wie erfroren. Ich erfriere.
Und sehe nun das Klirren. Es ist um mich.
Ich will davor weglaufen, aber ich kann nicht. Ich bin festgefroren.
Ich erfriere StĂŒck fĂŒr StĂŒck. Ich fĂŒhle mich wie ein einzelner Eisklumpen. Ich muss an den Kamin denken, der
jetzt alleine vor sich hinwÀrmt.
Tausend Nadeln durchbohren mich.
Ich sehe das Klirren.
Die klirrende KĂ€lte.