Treppe zur U-Bahn

Ich laufe die mit Menschen gefüllte Straße entlang. Dem Bahnhof entgegen. Oben fährt die S-Bahn. Ich höre das Rattern der Räder über die Brücke. Links von mir die Straße, voll mit Autos, aneinander gereiht. Hin und wieder hupt jemand voller Ungeduld. Ich zwänge mich durch die Leute, die unbedingt Pizza To Go kaufen, den Frisörsalon daneben bestürmen, zwischen den Besoffenen hindurch, an dieser Suffkneipe vorbei. Ich hole meine Maske heraus, die wie ein Gummi plötzlich von meinen Fingern schnippst, im hohen Bogen in eine Pfütze. Mist! Ich fingere die Maske heraus. Ab in den Müll. Zum Glück habe ich mehrere Ersatzmasken dabei.

Ich nähere mich der Schwingtür am Bahnhof. Menschenmassen kommen mir entgegen, die gerade aus der S-Bahn gestiegen sind. Die Türen schwingen auf und zu, auf und zu. Ich muss aufpassen, nicht umgestoßen zu werden. Leute gehen mit mir rein. Es wird zu einem Nadelöhr, wer zuerst? Wir quetschen uns hindurch. Im Bahnhof muss ich ausweichen, um nicht umgerannt zu werden. Ich weiche nach links aus, aber da kommen mir noch mehr Gestalten entgegen. Alle vermummt mit Masken. Ich will nach rechts ausweichen, aber da sind sie auch. Dann ab durch die Mitte, ich laufe Slalom.

Ich will doch nur runter zur U-Bahntreppe, die dort im Bahnhof hinunter führt. Aber da höre ich die U-Bahn. Die fährt gerade weg und wieder kommen mir massenhaft Menschen entgegen. Einige reißen sich die Maske vom Gesicht. Ältere Menschen, junge Menschen, die ewigen Studenten mit ihren Rucksäcken. Mit Hunden, die aufs Feld wollen, der gegenüber ist. Die meisten wollen dahin. Bauarbeiter in ihrer Arbeitskluft. Plärrende Kinder, Mütter mit Kinderwagen. Eigentlich ist da doch ein Aufzug 🤨.

Breitgefächert kommen die mir alle entgegen. Ich kann nicht nach links, die werfen mich um. Durch die Mitte geht auch nicht. Ich drücke mich ganz nach rechts. Aber da kommen mir auch vermaskete Menschen entgegen. Alle wollen die Treppe hinauf, hinaus aus dem Bahnhof oder hoch zur S-Bahn, oder aufs Feld. Ich bleibe kurz stehen, erhasche einen Blick zum Blumenladen hinter der Treppe. Ob ich dort kurz verschnaufe und paar hübsche Blümchen kaufe? Für was? Ich brauche keine Blumen, die verwelken irgendwann. Ich will die Treppe runter. Ich erblicke eine Lücke, und husche hindurch. Laufe hinab. Runter in den Schach. Immer am rechten Geländer entlang. Die Menschen brauchen ja Platz, damit alle hoch hinaus können.

Endlich löst sich die Meute auf. Eine Frau sitzt auf der Treppe, links. Da liegen Zeichnungen. Eine Portraitzeichnerin. Ich könnte mich ja mal malen lassen. Will ich aber nicht. Weiter unten sitzen ein Mann und eine Frau. Schälchen steht da, die wollen Geld. Die sehen nicht wie Obdachlose aus. Zwei Weltenbummler, die sich durchschlagen wollen. Ich könnte denen was reinwerfen. Ich hab kein Kleingeld in der Tasche. Doch, ein Euro hab ich. Aber den brauche ich für den Einkaufswagen immer. Mein Portmonee ist im Rucksack tief verstaut. Ich habe keine Lust den Rucksack abzunehmen und darin rumzuwühlen. Außerdem kommen hinter mir schon wieder eine Horde Menschen. Die wollen auch alle runter. Alle wollen zur U-Bahn. Und zwar genau die, in die ich will. Die gerade einfährt und renne die letzten Stufen. Ich beeil mich, so wie die anderen auch. Alles quetscht sich zur Tür. Die U-Bahn spuckt jede Menge Menschen aus, die können kaum raus, weil die anderen unbedingt zuerst rein wollen. Denn jeder will sitzen. Der Kampf um den Sitzplatz. Ich werde automatisch mit hineingestürzt. Da will ich sitzen. Zack, jemand war schneller. Der knallt sich auf den Sitz. Dann eben dahin, der Nächste schmeißt sich darauf. Verdammt!

Aber da sind noch genug Plätze frei, aber niemand will, dass man sich neben einen setzt. Also bleibe ich stehen. Meine Gedanken jammern. Ich will sitzen, bin den ganzen Tag auf Beinen und der Rucksack fühlt sich zentnerschwer an. Die U-Bahn fährt los….weg vom Tempelhof, da am Tempelhofer Feld.

60 Antworten auf „Treppe zur U-Bahn

  1. Diesen Weg zur U-Bahn stelle ich mir wie den Vorhof zur Hölle vor. Und da musst du ja sicher des öfteren lang?!
    Nicht mal ein Sitzplatz in der U-Bahn nach einem langen Arbeitstag. Das ist echt Sch***. Ich hoffe, du bist gut heim gekommen, hast sofort erstmal die Beine hoch gelegt und dich erholt. ❤️

    Gefällt 1 Person

    1. Drei mal die Woche muss ich da durch. Meistens habe ich Glück und finde einen Sitzplatz. Selten hab ich Glück, dass gerade mal keine u Bahn reinfährt, wo all die vielen Menschen aussteigen.
      Dann muss ich ja noch umsteigen zum Bus. Und da ist es auch oft voll und alle rennen rein, weil alle sitzen wollen. Aber im Bus habe ich meistens Glück.
      Es war nicht heute. M, M und F. Wäre mir meine Kundin nicht ans Herz gewachsen, hätte ich diese Tour abgegeben.
      Manchmal lege ich kurz die Beine hoch, aber meistens wusel ich direkt weiter. Schnell was essen, Gassi und Haushalt was anfällt, alles schnell schnell, damit ich so früh wie möglich mich hinpacken kann und nix mehr tun muss. 😅

      Like

  2. Oh man, du bis wirklich nicht zu beneiden. Co.Rona, pass gut auf dich auf, immer schön die Ellenbogen zum Abstand halten ausfahren. 😉
    Was bin ich froh nicht mehr in Berlin zu wohnen. Allerdings habe ich keine solchen Erlebnisse verzeichnen müssen. Bin vom Fahrrad gleich aufs Auto umgestiegen.

    Gefällt 1 Person

    1. Mach ich 💪🏼
      Mit dem Auto durch Berlin ist aber auch nicht oft ohne. Da bin ich genauso mit den Nerven am Ende. 😂 Und bin auch lange nicht mehr gefahren.

      Like

  3. Das erinnert mich an meine frühere Zeit in der Ausbildung.
    Ich pendelte zwischen 5 Orten im Ruhrpott hin und her.
    Ständig im Bus, U-Bahn, S-Bahn, Zug, ….
    Und dann diese Massen die überall eingesogen und ausgespuckt werden.
    Slalom tagtäglich, bloss ohne Maske.
    Danke fürs Erinnern. 🙂

    Gefällt 1 Person

      1. Gut dass ich das nicht mehr so habe.
        Weniger gut für dich.
        Aber in den Großstädten ist man teilweise mit den Öffentlichen oder dem Rad schneller als mit dem Auto.
        Hier ist es, noch, anders herum.

        Gefällt 1 Person

        1. Mitten im Berufsverkehr ist hier eh die Hölle. Würde selbst dann nicht fahren, wenn ich ein Auto hätte.
          Allein schon, wenn ich an den Haltestellen stehe und den wahnsinnigen Verkehr beobachte, bin ich immer wieder froh, kein Auto zu haben. 😅

          Gefällt 1 Person

                1. 😂 Mich macht sowas nervös. Manche Mietautos (Car2go) , die brauchen etwas länger zum Anfahren, da hupen die schon, weil man nicht sofort losfährt. Oder überhaupt irritiert das Gehupe, weil ich dann nicht weiß, ob man wegen mir hupt oder wegen jemanden anderes. 😅

                  Gefällt 1 Person

  4. Damit hatte und habe ich kein Problem. Ich habe nur Probleme im Ostteil von Berlin zu fahren. Da kenne ich mich so gar nicht aus. Hier, auf dem Land, kann ich ziemlich schnell fahren, das ist mein Ding. Mein damaliger Fahrlehrer war Rallyefahrer. Bin aber auch schon sehr viel ruhiger geworden. *grins*
    Viele Grüße zu dir nach B, Lilo

    Gefällt 1 Person

          1. Die Tür ist das Problem oder mit etwas weniger Luft in dem Anzug und dann hast Du automatisch mehr Platz. Hoffentlich spricht sich das nicht rum.😂😂😂

            Gefällt 1 Person

  5. Risiko ist immer dabei, gerade jetzt in dieser Zeit, so viele Menschen auf engstem Raum. Da muß man sich wundern, dass nicht noch viel mehr Leute an dem Virus erkranken.
    Nützt ja aber alles nichts, Du mußt ja zur Arbeit kommen und alle anderen auch.

    LG Biene

    Gefällt 1 Person

  6. OMG das ist ja gemeingefährlich.
    Gibt es bei euch keine klaren Trennungen, nur auf der einen Seite der Treppe hoch und auf der anderen Seite runter? Bei uns in Frankfurt ist das und die Leute halten sich zu 95% auch dran. Sogar am Hauptbahnhof, wo wirklich viele Leute ein-, aus- und umsteigen.

    Pass bloß auf Dich auf. ❤

    Gefällt 1 Person

Hinterlasse eine Antwort zu Nati Antwort abbrechen